Rocky Horror Dorf Revue im Unendlich weiten Land, Mai-September 2010 und Juli 2011
http://www.hofter.de/2010-RockyHorror2.htm
Eine Multimedia-Show als Gemeinschaftsproduktion von Künstlern, jungen und alten Dorfbewohnern sowie Vereinen und Initiativen, die in der Gemeinde aktiv sind: Chor, Tanzgruppe, Jugendfeuerwehr, Schützenverein, Jugendclub und Senioren- und Bläsergruppe, Theateratelier und Tiertrainer werden in einer Szenenfolge verwoben. Angestrebt wird eine kritische, multimediale Gruselkomödie mit Film, Theater, Performance, Lightshow und lebenden Bildern.
Die Revue setzt den Alltag mit all seinen ernst zu nehmenden Frustrationen, Wünschen und den gesellschaftlichen Widersinnigkeiten der gegenwärtigen Umbruchssituation hier auf dem Land in Szene und provoziert Öffentlichkeit für die ansonsten eher verhalten zirkulierenden Meinungen, Vorurteile und Zukunftsentwürfe. Bevölkerungsrückgang, Verarmung und Zukunftslosigkeit sind die aktuellen Grusel-Themen, die, medial verstärkt, Angst schüren. An den Rändern der leergefegten gesellschaftlichen Fläche ducken sich Langzeitarbeitslose und pflegen rechte Ressentiments, oder träumen dem sozialistischen Versorgungsstaat hinterher. Schaurig ist's, übers Land zu gehen...
So sehen es viele Besucher aus der Ferne. Wir setzen uns mit diesem nicht gänzlich unberechtigten Klischee auseinander, und versuchen, der existierenden partiellen Lähmung in ein interaktives Produktionsgefüge entgegenzusetzen. Im Vorfeld recherchieren Spielleiter und Künstler in den Dörfern der Gemeinde und bauen Arbeitsgruppen mit den Einheimischen und Kooperationen mit regionalen Initiativen auf. Die Show wird in den Sälen der hiesigen Dorfgasthäuser im Dezember 2010 uraufgeführt.
Ein Kommentar von Sibylle Hofter:
Die Einladung zur Spielleiterin für die Rocky Horror Dorf Revue erfreut mich aus verschiedenen Gründen sehr: Seit der Wende hat sich in mir selbst ein langsamer, stetiger nachhaltiger Prozess der Annäherung in Gang gesetzt. In Projektbeteiligungen, aber auch in vielen Fotoserien im Osten Deutschlands entwickelte sich eine empathische Sicht auf das, was ich in den ersten Jahren als beklemmend empfand. Die gewisse Zurückgezogenheit der Menschen. Eigentlich gibt es sehr viele aber ganz unterschiedlich sozialisierte Anknüpfungspunkte zwischen einem Großteil der Bewohner Brandenburgs und mir. Die gewisse Scheu, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen und die Konzentration, die man aufbringen muss, um bei sich selbst zu bleiben, weil ja eigentlich immer etwas anderes von einem verlangt wird, und man verlangt auch selbst von sich etwas, das man nicht kann, damit es irgendwie leichter wird, in der Welt zu bestehen. Aber am Schluss steht man eben dann doch wieder mit seinen eigenen spezifischen Stärken da, die vielleicht nur teilkompatibel mit den Anforderungen von außen sind. Aber sie geben eben die Basis auf der man lebt, und es ist eine Arbeit an sich selbst, die nach Jahren zu erkennen gibt, dass das, was man kann, was man in gewisser Weise schon immer konnte, was man langsam in die einem gegebene Realität hineinmanövriert, was in und an dieser Realität wächst, das stellt sich letztlich als das Kapital heraus. Hier hört die Analogie dann auf, denn in Brandenburg würde einer Mehrheit von Menschen eine Vollkomptibilität mit den Erfordernissen ja gar nichts nutzen, weil unter den momentanen Bedingungen einfach immer nur ein gewisser Prozentsatz der Bevölkerung an der gedachten/gewünschten gesellschaftlichen Realität partizipieren kann. Daraus schließen wir, dass uns nichts anderes übrig bleibt, als uns auf das zu besinnen, was wir können. Als Katalysator für beide Seiten, für die von außen kommende Künstlerschaft und für die vor Ort Ansässigen fungiert die jeweils andere Gruppe. Das Ganze funktioniert nur auf der Basis, dass jeder der Beteiligten, die Aspekte, die Kräfte und Fähigkeiten, die der andere einbringt, braucht. Hellmuth Costard formulierte vor vielen Jahren den Satz: Brücken bauen,... unter Inanspruchnahme des Abgrundes Möglichkeiten schaffen. Da gab es noch keine Wende. Wir haben heute immer noch das Privileg, dass unsere Haltung zu den Fährnissen unseres Lebens eine große Rolle spielt.
In die Arbeit mit den Asylsuchenden in Belzig bin ich vor einem Jahr aus einem diffusen Angebot "etwas Soziales" zu machen mit der Frage hineingetappt: Welche der möglichen Gruppen interessiert mich? Asylsuchende. Ich gab den Workshop-Teilnehmer Kameras, mit der Bitte, den ihnen zugewiesenen Lebensraum zu fotografieren. Aus den fremd durch die Gegend tappenden schweigenden Figuren, die vorher selbstverständlich anwesendes statistisches Personal unserer Realität gewesen waren, wurden zaghaft kommunizierende Wesen. An dem Workshop nahmen nur Männer teil. Ihre Zaghaftigkeit entsprach wohl kaum dem, was sie aus ihrem Rollenverständnis gewohnt waren, sie kamen sämtlich aus patriarchalischen Zusammenhängen, umso schwieriger mit der behinderten Position in der deutschen Gesellschaft klarzukommen. Das erste, was man also erfährt ist, dass es unglaublich wenig Anknüpfungspunkte gibt, dass es aber trotzdem sinnvoll ist, sich miteinander zu beschäftigen und an den Projektionsflächen, die man sich gegenseitig bietet, herum zu doktern. In dem Sinne war es nicht mal schlimm, dass nur wenige Englisch sprachen. Die Kommunikation lief über die Fotos. Sie machten die Fotos in ihrem durch die deutschen Gesetze eng begrenzten Lebensumfeld und übergaben sie mir dann praktisch komplett. Die Ausweitung ihres limitierten gesellschaftlichen Funktionszusammenhangs war für sie eigentlich mit dem Ausliefern der Dateien abgeschlossen. Zunächst war ich darüber etwas konsterniert und suchte Fehler in meinem Verhalten. Da aber große gegenseitige Sympathie bestand, durfte ich bald einsehen, dass es an etwas anderem lag. Dass die ästhetische Arbeit, also in diesem Falle die Formulierung der Frage, was man überhaupt kommunizieren möchte, im Angesicht der unsicheren Lebenssituation der Leute kaum Relevanz hat und das in diesem Workshop Mögliche bereits geschehen war. Die Blockade und Zaghaftigkeit umfasste Bereiche, die für das Überleben in Deutschland ungleich viel wichtiger sind, als sich Gedanken über die Kleinstadt zu machen, in die einen der Verteilungsschlüssel deutscher Verwaltungsrichtlinien katapultiert hat. Denn sogar das Deutschlernen war den meisten unmöglich, obwohl es vermutlich das einzig Wichtige ist, das sie selbstständig dafür tun können, hier anzukommen. Mit den spitzfindigen Fragen stand ich also alleine da: In welchem Verhältnis das dem Zuschauer gezeigte Bild zum Blick des Fotografierenden steht. Die Serie von Fotos wird zwar als Blick des einzelnen Fotografierenden wahrgenommen, aber es entspricht de facto immer nur in Teilen dem, was der Fotografierende als seinen Blick versteht. Hinzu kam in diesem Falle die sehr viel weniger spitzfindige Frage, wo bei meiner Weiterverarbeitung (Auswahl und Bildbearbeitung) die Grenze zur Manipulation lag. Indem ich übernahm, lösten sich die Aufnahmen bereits in einem frühen Stadium von ihren Autoren ab. Meine Übernahme war eine für mich erstaunliche; das Verhältnis, das ich zu den Aufnahmen entwickelte, unterschied sich eigentlich in nichts von dem innigen Verhältnis, das sich in der Zusammenstellung meiner eigenen Aufnahmen entwickelt. So entstand eine bereichernde, wenn auch nicht ganz unkritische Verwirrung der Autorenschaft. Es war so etwas wie ein doppeltes Auge entstanden. Die Refokussierung der Auswahl, die die Fotografierenden mit dem Auslöser getroffen hatten, war manifeste Kommunikation zwischen uns: Sie hatten ihre Mitteilungen gemacht, und ich sagte, was ich verstanden hatte. In der Zeit akkumulierte sich auch in anderen Richtungen ein Gefühl dafür, in welchen Grauzonen Kommunikation sich immer abspielt. Mit Menschen, die aus sehr viel ähnlicheren sozialen Systemen kommen, ist das grundsätzlich nicht anders. Es ist nur wesentlich seltener, dass man darauf aufmerksam wird, auf welch wackeligen Beinen Verständnis steht. Dass die Grundsympathie, von der ich sprach, wohl das einzig Unabdingbare ist. Alles andere bahnt sich seinen Weg durch die Unendlichkeit des Nichtwissens. Jeder bewusste Reibungspunkt, an dem Verständnis auf eine klare Grenze stößt, verweist auf unendliche Möglichkeiten. In dem Sinne sehe ich der Dorf Revue mit großer Neugier entgegen.
Dokumentation Sibylle Hofter Rocky Horror Dorfrevue
Publikumsaktion Mai 2010
Für den Garten als kommunikative Anlaufstelle des ersten Castings wurde an einer lichtgünstigen und ruhigen Stelle eine Bühne gebaut. Freiwillige und Kinder aus der Gemeinde bastelten an einem Tisch Kostüme und Utensilien aus Karton. Sibylle Hofter hatte im Vorfeld Dekoration aus Sperrholz gemacht. Die aus Sperrholz ausgeschnittenen Wörter DORF, KUNST, LAND, LEBEN, WIRD, HORROR standen zur freien Verfügung, außerdem eine Wolke mit einem Loch in der Mitte und die Silhouette eines Feuers. Damit konnten die Besucher ansatzweise ein Statement machen. Kinder benutzen die selbstgebastelten Kostümelemente. Die Portraits wurden vor Ort am Fotodrucker ausgedruckt und den Teilnehmern mitgegeben. Die Teilnehmer wurden über ihre Beziehung und Einstellung zum Dorf befragt und in eine Teilnehmerliste aufgenommen. Es entstanden etwa 50 Portraits.
Publikumsaktion September 2010
Märkische Heide, märkischer Sand und Rainald Grebes Brandenburgsong auf der Rocky Horror Dorf Revue
Gesucht sind Musiker und neue Texte jeder Kulör!
Wir laden jede/n, die/der ein Instrument spielt und jede Band, jeden Chor aus Steinhöfel und Umgebung herzlich zum Casting ein! Spaß ist Voraussetzung! Technisches Können immerhin nicht verboten.
Anmeldeschluss 1. November 2010
Casting -Anmeldung entweder zum individuellen Vorspieltermin unter: 033636 27015 oder mit cd oder mp3 - Dateien der beiden Lieder an: landkunstleben@t-online.de, Landkunstleben e.V., Steinhöfelerstr. 22, 15518 Buchholz
Wettbewerb! zu den Brandenburgliedern!
Zu gewinnen gibt’s zur Auswahl je 1 frisch hausgeschlachtete Gans oder ein Essen für 2 im Tiffany in Heinersdorf oder eine Panzerfahrt.
Alle singbaren Einsendungen werden zur Rocky Horror Dorf Revue im Dezember aufgeführt. Das Publikum ermittelt die beliebtesten Neustrophen und die besten Strophendichter.
Texteinsendeschluss: 1. Dezember 2010
Märkische Heide, märkischer Sand gilt als inoffizielles Brandenburglied Text und Musik: 1923 von Gustav Büchsenschütz (1902–1996) Bitte informieren Sie sich vor dem Losdichten über die Geschichte des Liedes, z.B. im Internet bei Wikipedia unter Märkische Heide, märkischer Sand. Hörversion: www.pension-senftenberg.de/marsch_hymn.mp3
Rainald Grebes Brandenburgsong / Musik: Kapelle der Versöhnung Hörfassungen: youtube.
Aufforderung an die Besucher, neue Varianten für die Brandenburg-Fahne zu entwickeln
Fiktives Arbeitsamt vorm Foliengewächshaus, September 2010
Fahnen verteilt über das Gartengelände, September 2010
Bestandteile der Installation im Garten Steinhöfel, September 2010
Brandenburgfahne mit Papagei, Sibylle Hofter. Die Fahne entstand aus dem Kontakt mit Brigitte Giersch, Einwohnerin von Steinhöfel. Ihre Leidenschaft ist die Papageienzucht. In der Gemeinde gibt es zwei weitere Züchter.
Fahen mit Baby, Sibylle Hofter
4 Fahnen (im Gelände verteilt) visualisieren Statistiken zu Bevölkerungs- und Einkommensentwicklung veröffentlicht von Rainer Land, Thünen-Institut (pdf S.23)
oben: wie aus Fachkräfteüberschuss in der Zukunft Fachkräftemangel wird, statistisches Bundesamt, von Rainer Land in Frage gestellt.
Einkommensentwicklung seit dem Krieg, kurz vor den Brüchen der Wende gehen die Kurven der individuellen Einkommensentwicklung (rot) und die der Unternehmens- und Kaptalgewinne (blau) schlagartig auseinander. Die mittlere Kurve (schwarz-rot-gold) zeigt die Entwicklung des BIP
Zusammensetzung der Bevölkerung, absolut
rot: (für Geld) arbeitende Bevölkerung
blau: nicht arbeitende Bevölkerung in arbeitsfähigem Alter
flieder: Bevölkerung in nicht arbeitsfähigem Alter.
Die Stufe stellt den Bevölkerungszuwachs im untersuchten Staatsgebiet (BRD) durch die Wende dar.
...die selben Zahlen relativ dargestellt
Juli 2011
Ein Bänkelgesang vom Landleben mit Bildern und
Geschichten aus den Dörfern der Gemeinde Steinhöfel
von und mit Kenneth Anders und Lars Fischer
LandKunstLeben lädt ein zu einer illustren Rundfahrt
durch die Gemeinde. Berichtet wird vom Leben in unseren
Dörfern, zwei Jahrzehnte nach dem großen Umbruch,
der gerade die ländlichen Lebensbedingungen
durcheinandergewirbelt hat. Wovon lebt man heute,
wofür engagiert man sich? Welche Hoffnungen knüpft
man an das Landleben? Anders und Fischer haben mit
Menschen gesprochen, in Ruhe am Kaffeetisch und über
den Gartenzaun. Sie haben fotografiert, zugehört und
beobachtet. Was sie begriffen und verstanden haben,
geben sie an diesem Abend zum Besten
Ein Bänkelgesang vom Landleben
Für die Dörfer von Steinhöfel
Ein Dorf ist ein Dorf!
Es ist kein Ortsteil, es ist ein Ort!
Es hat eine Kirche und vielleicht einen Anger.
Man ist entweder drinnen oder man ist draußen:
im Dorf, vor dem Dorf, hinter dem Dorf;
das sind klare Positionen,
auch wenn die Häuser aus Fertigteilen
seine Ränder bedrohlich ausfransen.
Und fügt man es auch zur Gemeinde, zum Amte;
das Dorf ist ein Ort und dieser ist das Gesamte,
das Ganze des großen Lebens auf dem Land!
Und ist doch, von der Stadt aus gesehen, am Rand.
All das steckt in diesem kleinen Wort:
DORF.
Doch nun sind hier Zwölfe zusammengefasst,
und nimmt man die kleinen Siedlungen dazu,
die Ausbauten und Siedlungshaufen,
die Gutshöfe und Wendeschlaufen,
die Vorwerke und all die kleinen Plätze,
an denen sich Menschen eingenistet
an denen Generationen ihr Dasein gefristet,
dann sind‘s noch viel mehr !
Sind sie sich ähnlich? Haben sie was gemeinsam?
Lebten sie besser wieder alleine und einsam?
Was sagt ihnen das Land Lebus?
Ist es ferner Klang,
von früher nur, wie alter Gesang?
Oder macht es ein Kribbeln auf morgen,
trotz all der täglichen eigenen Sorgen?
Wie ist es und wie fühlt man sich heute
hier auf dem Dorf? Ist man politische Beute?
Ein Opfer der Wirtschaft? Hat man noch Kraft?
Oder sieht man gelassen
auf die städtischen Massen
und sagt sich: warten wir’s ab?
Das wollten wir in Erfahrung bringen,
wollten wissen:
Wie kann das Leben gelingen,
hier, da die Städter sagen:
Ach ist das aber jottweedee,
ihr lebt ja in der Pampa, in der Walachei!
So ein Quatsch!
Aber was das Land einst gewesen ist, scheint vergessen.
Denn laut und oft furchtbar war das letzte Jahrhundert.
Die Kriege rasten und keinen hat noch was gewundert.
Flugbahnen goss man aus Beton in die Wälder,
und gab kein Pardon für Wiesen und Felder.
Der Kirchturm sogar von Neuendorf im Sande,
er stand dem Flugplatz zu nah und zu hoch am Rande,
und wurde einfach gekappt.
Das Manöverzielschiff im See bei Schönfelde taucht auf
bei Niedrigwasser,
und Spuren des Militärs sind zuhauf.
Garnisonen haben gewühlt und geschossen,
gelagert und sich hinter die Binde gegossen
als würde alles hier ihnen gehören.
Und nicht nur der Boden,
nicht nur Wald, Grund und Feld
wurden aufgewühlt, was das Zeug hält,
von Granaten, Spaten, Händen.
Vor allem die Menschen fielen und hungerten.
Andere warteten ab und lungerten
herum, Jahrzehnte hindurch,
wie im Mehltau gefangen.
Viele gingen und dann kamen neue,
Vertriebene meist, mal laute, mal scheue.
Und immer wieder fing man von vorne an:
Die Arbeit war heilig, alle mussten ran,
denn Landleben hieß Schwitzen
(Ruhe wohl auch,
aber das friedliche Sitzen
auf der Bank vor dem Haus,
das man den alten Fotos glaubt,
war eine Sache für abends und sonntags,
wenn überhaupt).
Und stiegen auch Feste dann und wann,
allem ging doch immer die Mühsal voran!
Die Arbeit allein hat keinen vertrieben,
doch im Wüten der Bodenreform
und im Zwang zum Kollektiven
gab mancher auf und verließ sein schönes Land
gen Westen.
Und dabei schien es ganz gleich,
ob man gerade erst aufgesiedelt
oder zurückblicken konnte auf Generationen am selben Ort.
Wer so nicht leben wollte, gegängelt, ging fort.
Nun schien in den Dörfern
mit Zwang, mit Traurigkeit,
Gebrüll, staatlichem Plan und verordneten Festen
ein neues Leben zu wachsen.
Schöne Häuser und Höfe wurden nicht mehr gebaut,
dafür komfortable Blöcke zum Wohnen
und industrielle Bauten für Mast und Milch:
Alles am Rand der Dörfer,
und ungeheuer produktiv.
So gelang bei Behlendorf die erste Konzentration
von 1000 Kühen im sozialistischen Staat:
Milko, das Milchkombinat,
eine agrarische Schallmauer durchbrochen,
und das Plansoll glorreich durchstochen!
Die alten Güter verloren ihre Pracht,
es wurde nur noch der blanke Nutzen bedacht.
Und immerhin: der Hunger war vorbei.
Also wurden Kinder geboren,
gingen hier zur Schule,
machten hier die Lehre,
und nahmen hier ihre Arbeit auf.
Ihr Leben nahm gemessenen Lauf,
als könnte es gar nicht mehr anders sein.
Hier die Stadt, dort das Dorf:
eine uralte Polarität,
seit Menschengedenken in aller Welt etabliert,
doch in der DDR nun neu definiert;
das Land – eine Staatsangelegenheit,
der Fortschritt machte sich breit
mit den Segnungen der Industrie,
MTS, Düngerflieger und Agrochemie:
Es gab jetzt Urlaub und Freizeit,
fehlte nur noch die Freiheit.
Und alles hatte seinen Ort:
die Kühe, die Schweine,
Kirche und Schule,
Kulturhaus und Baracke,
trotz aller Planattacke:
ein Leben, dessen Sinn man schwerlich bezweifeln konnte.
Denn Essen produzieren,
mit Pflanzen und Tieren,
das war doch das A und O!
Zumindest schien es so,
hier, auf dem Land.
Doch dann kam die Wende,
und leer waren plötzlich die Hände
noch schwielig von der Arbeit,
aber plötzlich von der Schaufel befreit,
von Mistforke und von Melkschemel.
Die meisten waren der Mittel beraubt,
aus dem Land noch ihr Leben zu nähren.
Blieb nur noch, den Gehweg zu kehren.
Wer hätte das geglaubt?
Und wer bis dahin hatte gedacht,
der Sozialismus habe die Bauern rationell gemacht
der wurde nun vom Agrobusiness
schallend ausgelacht.
Acht bis zehn Mann hatte man vorher gebraucht,
um zu bestellen hundert Hektar;
das Tagwerk steckte allen in den Knochen!
Heute macht einer den Job von zehn,
die anderen können derweil sehn
wo sie bleiben.
Und ab ging es, in die Stadt, zum Arbeitsamt.
Verdammt! Da hatte man den Salat,
Pendeln wurde zur Heldentat,
200 Kilometer am Tag, ist’s auch schad‘
für Klima und Nerven,
Und fließt der Verkehr nicht akkurat,
wird die Bindung an die Heimat
auf harte Proben gestellt.
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Ein Projekt von LandKunstLeben/ Büro
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Das Projekt wird gefördert durch den
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Mit Unterstützung des Ministeriums für Arbeit,
Soziales, Frauen und Familie des Landes
Brandenburg und des Kulturamts des
Landkreises Oder Spree