Hinterland-Avantgarden am Mittwoch, 3. Oktober 14 bis 18 Uhr
Ein Projekt von LandKunstLeben e.V. und slap e.V.
Hinterland-Avantgarden Fotocollage
Avantgarden sammelten sich immer in den Städten. Und ging es darum, aus deren geschlossenen Kunstwelten zu fliehen, zeigte der Kompass viele Jahre nach Süden, wo begehrenswerte Klimata herrschen und klassische Kulturräume Erhebung oder Heilung suggerieren. Hier ließ sich die gepflegte Urbanität im kleinen Kreis fortführen. Aber mit der Demystifizierung des Künstlerbildes im letzten Jahrhundert wich die Verklärung dem Alltäglichen. "Realitätskunst" setzte am umgebenden Realraum an, und heute gehen auch die Künstler wie in einer 360 Grad- Performance in alle Himmelsrichtungen.
Besuch bei Piccoplant in Oldenburg
Konzeptuell, installativ und intervenierend begeben sich heutzutage Künstler aufs Land, in den unterschiedlichen Graden der Verwurzelung von ‚unterwegs' bis ‚sesshaft' bringen sie sich in Dörfer und Landschaftsräume ein und verorten sich physisch und mental. Den einen zieht es in den Herkunftskontext zurück, den anderen in ein Experiment im unbesetzten Feld, der nächste braucht Raum und Zeit jenseits der Gravitationen der Städte. Umfeld und Umgebung werden in den erweiterten Konzepten partizipativer und sozialplastischer Arbeiten zum Material und Gegenstand der Reflektion.
Gilt hier noch der Eskapismus-Vorwurf? Handelt es sich bei diesen Bewegungen z.B. um Rückzug und Resignation angesichts der harten Bandagen des Kunstbetriebs, oder sind Künstler mit ihren Arbeiten und ihrem Engagement Wirkfaktoren für die Ausbildung neuer Gefüge, anderer Räume, Versuchsstationen für die Gestaltung der Zukunft des ländlichen Raums, ‚Raumpioniere' einer neuen Praxis und eines neuen Geists?
Zwei Vereine in zwei Landschaften wollen diese Fragen untersuchen. Ins Blickfeld kommen dabei Geschichte und Strukturen, regionale Differenzen und Ähnlichkeiten der ländlichen Räume. Thematisiert wird auch das tradierte und das aktuelle Selbstverständnis des Künstlers in Ost- und Westdeutschland. Aus jeder Landschaft ( aus jedem der beiden ehemaligen Länder) nehmen 3 Künstler teil, die situationsbezogene Interventionen und Installationen fürs ‚andere' Land, entwickeln. Der Prozess wird von Workshops und einer internationalen Begegnung mit Künstlern und Kuratoren mit Kompetenz und Praxiserfahrung im ländlichen Raum begleitet und manifestiert sich in einer Austauschausstellung zum Projektende.
"Die Kulturlandschaft in Europa ist durch Industrialisierung, Verstädterung, Zersiedelung und Agrarindustrie bedroht, Ressourcen sind erschöpft. Der Naturbegriff des Menschen ist genauso undefiniert wie der Kulturbegriff. Die Relation zwischen Nutzung, Ursprung, Ästhetik und Zukunft von Landschaft ist unser Thema." Insa Winkler, slap e.V. (Oldenburger Land)
"Seit 2001 verwirklichen wir Kunstprojekte im ländlichen Raum. Die Kunst konzentriert sich auf den Garten als räumliche Schnittstelle, aber greift auch über ihn hinaus, und im Kontext mit Dorf, Gemeinde, Landschaft und Region werden Ideen und Konzepte entwickelt und umgesetzt." Christine Hoffmann, LandKunstLeben (Brandenburg)
Zwei Vereine, die zugleich Initiativen von Künstlern sind, situierten sich abseits der urbanen Zentren und intervenieren mit ihrer Praxis, mit Kommunikation und Reflektion in den jeweiligen Gefügen agrikulturell geprägter Räume: SLAP e.V. im Oldenburger Land, LandKunstLeben im östlichen Brandenburg. Das gemeinsame Projekt verwirklicht eine Kooperation, in der Kunst, Land und Menschen in Wechselbeziehung zueinander treten. Die Nuancen in Erfahrungen, Wertvorstellungen und Herangehensweisen der deutsch-deutschen Teilnehmer schaffen die Basis für eine engagierte Verständigung zu den Problemen und Potentialen künstlerischer Praxis in der deutsch-deutschen Landschaft.
Teilnehmende Künstler sind Insa Winkler, Bärbel Hische und Werner Henkel aus Niedersachsen und Rainer Görß, Judith Siegmund und Jörg Schlinke, die in Brandenburg aktiv sind. Die Hauptverantwortlichen der jeweiligen Region sind Christine Hoffmann für das Gesamtprojekt und Brandenburg, und Insa Winkler für das Oldenburger Land.
Bericht zu den bisherigen und den geplanten Aktivitäten
Besuch im ZALF, Müncheberg
Um das Thema in einem Kreis von Fachleuten zu thematisieren, wurde im Sommer/Herbst 2006 gemeinsam eine Veranstaltung geplant. Diese fand am 28. - 30. Oktober im Rahmen eines Symposiums in Steinhöfel statt. Zu den einbezogenen Fachleuten gehörten partizipatorisch und situationsbezogen arbeitende Künstler, Regionalforscher, Soziologen und Multiplikatoren. Teilnehmer des Symposiums waren u.a. Uwe Rada/TAZ, Gert Mahnken/IRS Erkner, Hildegard Kurt/ Kulturwissenschaftlerin sowie Vertreter aus den Ministerien für Kultur und Infrastrukturentwicklung in Brandenburg. In den Folgemonaten wurde gemeinsam die Methodik für die Vorgehensweise erarbeitet. Die künstlerischen Ansätze, wie Kunst und Ökologie, Natur und Kunst, Artenvielfalt, integrative und analoge Parallelwelten in der Landschaft und den Wahrnehmungswandel der Bildenden Kunst im ländlichen Raum projektieren die Künstler auf die Existenz funktionaler Landschaftsavantgarden in der Wirtschaft, da diese das Landschaftsbild vornehmlich beherrschen. Die Künstler haben im April 2007 gemeinsam in Niedersachsen Firmen besucht, die sich als Hinterland-Avantgarden im Kontext der Landschaftsproduktion hervor tun.
1. Die Firma K-Nord GmbH
Kompostierungssysteme und IAT Umweltsysteme in Ganderkesee:
Altlastensanierung, Kompostierung, Konversion von Böden
2. landtagenord, GmbH
Agrarmessebüro, mit Melkroboter- und Biogasanlage
3. Piccoplant GmbH
für Pflanzen - Mikrovermehrung (für nachwachsende Rohstoffe)
Hinterland-Avantgarde zeigt sich an Orten innovativer Landschaftsproduktion, die sich auf eine globale Verortung beziehen. Von der künstlerischen Arbeit ist die Reflexion über diese übergeordneten Systeme zu erwarten, die den Anspruch an ein avantgardistisches Handeln in der Landschaft nach außen tragen. Die brandenburgische Seite antwortet mit Einbeziehung der Schnittstelle Forschung: Einrichtungen der Landschafts- und Strukturforschung werden bei einer gemeinsamen Exkursion im Juli/September 2007 besucht:
1. ZALF (Leibniz-Zentrum für Agrarlandschafts- u, Landnutzungsforschung in Müncheberg
2. IRS/ Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung in Erkner
Zwischen April und Oktober werden künstlerische Bezüge zur Thematik der Landschaftsproduktion integrativ zu den jeweiligen Arbeitsschwerpunkten und inspiriert durch die Exkursionen ausgearbeitet. Die Präsentation der Ergebnisse findet ab 3. Oktober in Steinhöfel statt. Die Zusammenhänge von Landschaft und Avantgarde, Hinterland und Kunst wird multimedial präsentiert.
Im Anschluss daran entsteht ein Katalog.
Programm
Performance von Jörg Schlinke
im ehemaligen Gasthaus Ulmenhof
15518 Steinhöfel
Straße der Freundschaft 25
Ein Austauschprojekt von SLAP - Social Land Art Project e.V. (social land art project) und LandKunstLeben mit:
Werner Henkel, Bärbel Hische, Insa Winkler (Niedersachsen)
Rainer Görß, Jörg Schlinke, Judith Siegmund (Brandenburg/Berlin)
Öffnungszeiten: 3. – 14.10. 2007, Sa/So 12 – 18 Uhr und nach Vereinbarung
Ein Katalog erscheint im Anschluss an die Ausstellung
Gefördert durch den Austauschfonds Ost-West der
und EWE Stiftung
Information:
LandKunstLeben e.V.
Steinhöfeler Str. 22
15518 Buchholz
T/F 033636 27015
landkunstleben@t-online.de
Anreise:
mit dem Auto über die A12 Abfahrt Fürstenwalde Ost nach Steinhöfel/
mit dem Regionalexpress 1 Richtung Frankfurt Oder bis Bahnhof Fürstenwalde, dann Taxi oder Shuttle auf Anfrage. Ab Bhf Fürstenwalde ca. 8 km per Rad auf dem neuen Oderbruchbahn-Radweg über Fürstenwalde Nord Richtung Buchholz , dann in Neuendorf rechts abbiegen
Eingang zum Garten:
15518 Steinhöfel, am Dorfanger oder Straße der Freundschaft, Ecke Berkenbrücker Weg (Ortsausgang in Richtung Fürstenwalde)