Ausstellungsprojekt, Herbst 2006 in Steinhöfel: Friedrich Gilly in Steinhöfel
mit künstlerischen Beiträgen von Rainer Görss, Heike Hamann und Nanaé Suzuki
Bibliothek Steinhöfel
Ausstellungszeitraum: 1. bis 29. Oktober 2006
Ausstellungsort: Bibliothek und Schlosspark Steinhöfel
Schlossweg 4 / 15518 Steinhöfel
Wir laden Sie herzlich ein zur Eröffnung am Sonntag, den 1. Oktober um 14 Uhr
Es sprechen: Brigitte Faber-Schmidt, Kulturland Brandenburg
Holger Schulz, Brandenburgische Schlösser GmbH
und Christine Hoffmann, LandKunstLeben e.V.
Ausstellung mit künstlerischen Beiträgen von Rainer Görss, Heike Hamann und Nanaé Suzuki
- Rainer Görss, Die nackte Konstruktion
Installation im Keller des Bibliotheksgebäudes zu 'Friedrich Gilly in Steinhöfel'. Im Mittelpunkt der als Videoloop mit Sound gezeigten Sequenz steht die 3 D - Animation der Zeichnung 'Kuben im Sand' von Friedrich Gilly. Die in der Zeichnung skizzierte Konstruktion zur perspektivischen Erfassung hat Görss als Holzkonstruktion in den Raum übertragen und darin die Projektionswand integriert.
Friedrich Gilly - Kuben im Sand, perspektivische Studie mit Landschaft (Entstehungszeit unbekannt), Feder und Wasserfarben,
Nachlass Martin Friedrich von Alten, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Kunstbibliothek
- Heike Hamann, Schattellen
Installation zu 'Friedrich Gilly in Steinhöfel'. In einem Zelt im Schlosspark wird eine Camera Obscura eingerichtet, die ein Bild von Schloss, Park und Bibliothek reproduziert. Integriert sind die Schatten von sich bewegenden geometrischen Objekten und stilisierte Fragmente aus Gillys Zeichnungen.
- Nanaé Suzuki, PLANETEN - Friedrich Gilly und seine Zeit
Im Schlosspark Steinhöfel standen im Oktober 2006 neunundzwanzig Stühle. Anlässlich der Ausstellung "Friedrich Gilly in Steinhöfel" habe ich mich mit seiner Zeit befasst. Er wurde 1772 geboren und starb 1800. Es interessierte mich zu untersuchen, was er als Zeitgenosse miterlebt hat, was er wohl über Nachrichten aus der Ferne erfahren hat, und was er vielleicht überhaupt nicht ahnte, aber gleichzeitig woanders passierte. Ich suchte für jedes Jahr ein Ereignis aus.
In seinem kurzen Leben von neunundzwanzig Jahren besuchte er die europäischen Nachbarländer und machte in vielen Orten Bekanntschaften mit Künstlern, Musikern und Literaten, schloss mit einigen Freundschaften. Es war auch eine Zeit der politischen Ereignisse, wie der französischen Revolution und der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Abgesehen von diesen großen politischen Umwälzungen werden die Fakten, die jetzt zusammengestellt sind, uns dabei helfen, die damalige Zeit etwas anschaulich zu machen.
Programm im Ausstellungszeitraum:
Sonntag, 15. Oktober, ab 15 Uhr
»Musik und Architektur: Klassik – Klassizismus – Klarheit der Form«
Konzert des Persius Ensembles mit einem Vortrag von Karin Flegel
Samstag, 28./ Sonntag 29. Oktober
Symposium im Schlosshotel Steinhöfel
»Architekturen des Zwischenraums: Landkultur im 21. Jahrhundert.«
Johann G. Schumann nach Friedrich Gilly: Einfahrt zum Gut Steinhöfel (um 1799)
Ausstellungseröffnung am 1.10.2006 in der Bibliothek Steinhöfel
Besucher in der dokumentarischen Ausstellung 'Friedrich Gilly in Steinhöfel', die in der Bibliothek im Schlosspark Steinhöfel gezeigt wurde. Dokumente und Reproduktionen zu Friedrich Gilly wurden mit historischen Büchern aus den Beständen der Massowschen Gutsbibliothek ergänzt, die einst an diesem Ort beheimatet war. Ein Teil der Publikationen ist auch in Friedrich Gillys Bibliothek verzeichnet. Das Bibliotheksgebäude im Schloßpark Steinhöfel wurde zwischen 1790 und 1795 nach Plänen von David und Friedrich Gilly errichtet. David Gilly, der Vater, war ein bedeutender Berliner Architekt, der insbesondere durch seine Expertise in der Landbaukunst hervortrat. Im Jahre 1797 erschien sein Handbuch zu diesem Gebiet. Sein früh verstorbener Sohn Friedrich gilt als architektonischer Visionär. Seine Ideen begeisterten vorallem Karl Friedrich Schinkel, der ihm als Freund und Schüler verbunden war.
Nach seiner Fertigstellung wurde dieses Gebäude Heimat einer herausragenden Gutsbibliothek, die von Valentin von Massow angelegt wurde, und in den folgenden 150 Jahren durch die Sammeltätigkeit der von Massows auf über 3800 Bände anwuchs. Es finden sich darin Standardwerke der Philosophie, Literatur, Geschichte und Politik. Außerdem zahlreiche Werke zu Geographie, Naturwissenschaften, Architektur, Kunst, Gartenbau und Landwirtschaft. Lateinisch, deutsch, englisch, französisch, italienisch, spanisch sind die vertretenen Sprachen - die Gutsbibliothek spiegelt den intellektuellen Radius ihrer kultivierten Besitzer wieder.
Gut und Schloß wurden 1930 von der Familie von Massow verkauft, und die Bücher fanden einen neuen Platz im Demnitzer Gutshaus der Familie. Aus dieser 'Überwinterung‘ wurden sie jäh herausgerissen, als im Sommer 1945 russische Soldaten die Räumung des Hauses befahlen. Die Bücher wurden aus dem Fenster geworfen und sollten allesamt verbrannt werden. Frauen aus dem Dorf mussten sie mit Mistgabeln ins Feuer hieven. Aber die Frau des Dorfpfarrers, Frau Sperling, umging die Anweisung und warf unbeobachtet immer wieder kleine Konvolute in die Büsche. Das Überleben von den etwa 800 Bänden, aus denen die Bibliothek heute besteht, sind ihrem couragierten Einsatz zu verdanken. Die Werke sind äußerst gut erhalten, und stehen als Leihgabe in der Dombibliothek zu Fürstenwalde.
Christian Cajus Laurenz Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst
Zur weiteren Information zwei Bücher der Architekten Gilly:
- David Gilly
Handbuch der Land-Bau-Kunst, vorzüglich in Rücksicht auf die Construction der Wohn- und Wirtschafts-Gebäude für angehende General-Baumeister und Oeconomen
Teil I, Berlin 1797 und Teil II, Berlin 1798 - Friedrich Gilly
Essays zur Architektur
Berlin 1997
Lebensdaten von Friedrich Gilly
1772 In Altdamm bei Stettin in Pommern geboren
1772 Umzug der Familie nach Stargard in Pommern
1782 Umzug der Familie nach Stettin
1787 Reise mit dem Vater David Gilly nach Berlin. Zeichenunterricht
1788 Umzug der Familie nach Berlin. Studium in der ‚Architektonischen Lehranstalt bei der Akademie der Künste
1789 Tätigkeit als Kondukteur am Oberhofbauamt unter C.G. Langhans und F.W. Freiherr von Erdmannsdorff. Studium
1788/1790 Tätigkeit unter C.G. Langhans an der Marienkirche (Kirchturm)
1790 Ernennung zum ‚Conducteur spernuméraire'. Reise nach Holland
1791 Ernennung zum ‚Wirklichen Conducteur'
1792 Beschäftigung mit der Geschichte des Altertums
1793 - 1796 Lehrer für ‚Architektonisches Zeichnen' an der von David Gilly gegründeten ‚Lehranstalt zur Unterrichtung junger Leute in der Baukunst'
1793 Reise mit dem Vater nach Südpreußen (Marienburg) und Pommern
1794 Erhält Königliches Stipendium für vierjährige Studienreise
1795/1796 Zimmereinrichtungen im Schloß Schwedt/Oder
1796 Wettbewerb zum Friedrichsdenkmal
1797 Geheimes Verlöbnis mit Ulrique Marie Hainichen.
Antritt einer eindreivierteljährigen Reise durch Europa.
Im Jahr 1799 hielt sich Friedrich Gilly mit seinem Vater in Steinhöfel auf. Hier zeichnete er Ansichten von Park und Gebäuden. An der Gestaltung des Ensembles von Herrenhaus, Bibliothek und Gut wirkten Vater und Sohn zusammen. Es zählt zu den frühen und herausragenden Werken des Berliner Klassizismus und der preußischen Landbaukunst vor Schinkel. Mit Friedrich Schinkel verband Friedrich Gilly eine intensive Freundschaft. Der junge Gilly war Schinkels Lehrer und Freund.
Es ist aber zu vermuten, dass Friedrich Gilly schon um 1790 hier zeichnete, als er die Gegend um Steinhöfel besuchte, was die Zeichnungen des Sakramentshaus in der Kirche in Fürstenwalde und der Rauener Steine nahe legen. In seinem Tagebuch schreibt er dazu:
"Es lässt sich wohl begreifen, wie diese Steine den Bewohnern der Gegend als außerordentliche Gegenstände erscheinen und Anlass zu Dichtungen und Verzauberungen und verwünschten Schlössern geben konnten. Etwas Rauhes und Ödes in der Gegend, wo sie liegen, befördert dies vielleicht...Besonders die Waldung und Höhe des Gutes Steinhöffel ist bedeckt mit solchen Begräbnissteinen...man wandert unter diesen verödeten Denkmälern eines sonst hier hausenden, zahlreichen und tapferen Volkes und blickt mit einer sonderbaren Stimmung über die Stille Gegend bis zu den Ufern der Spree hin, wo sich am Horizont die ansehnlich hohe Bergkette von Rauden in ein schönes Blau erhebt."
1799 Gründung der ‚Privatgesellschaft junger Architekten'. Professur an der Königlichen Bauakademie und Eheschließung mit Ulrique Marie Hainichen.
Zu Beginn des darauffolgenden Jahres wird der Sohn Edouard geboren. Gilly ist Bauleiter am Königlichen Schauspielhaus in Berlin.
Tod des Sohnes. Mitte Juli reist Gilly aus gesundheitlichen Gründen nach Karlsbad und stirbt dort am 3. August 1800
Friedrich Gilly - Der Begründer der Denkmalpflege
Friedrich Gilly besuchte 1794 zusammen mit seinem Vater auf einer Dienstreise durch Pommern die Marienburg, eine der bedeutendsten mittelalterlichen Burganlagen, die am Ende des 13. Jahrhunderts in der Nähe von Danzig von preußischen Ordensrittern im Zuge der Kolonisierung angelegt worden war. Der pragmatische Landbaumeister David Gilly plädierte für den Abriss des stark beschädigten Bauwerks. Friedrich Gilly jedoch betrachtete sie mit ganz anderen Augen: für ihn war sie eine Offenbarung. Er stimmte in seinem Essay über die Marienburg ein Lob der Gotik an, und trug damit zu einer Neubewertung dieser Epoche bei. Die Einschätzung des Vaters David hätte den Abriss der historischen Bausubstanz zur Folge gehabt. Friedrich Gillys Reaktion bereitete jedoch ihre Erhaltung als nationales Baudenkmal vor. Auch Karl Friedrich Schinkel setzte sich in der Folgezeit hierfür ein. Der Beschluss zur Erhaltung der Marienburg 1804 markiert den Beginn der amtlichen Denkmalpflege. Ohne Friedrich Gillys ‚Entdeckung' der Marienburg und ohne die Publikation der Zeichnungen, die als Vorlage für das Ansichtswerk von F. Frick dienten, wäre es dazu nicht gekommen. 1795 stellte Gilly noch die ersten in Aquatinta gefertigten Blätter ( nach den eignen Zeichnungen) in der Akademie in Berlin aus. Später nahmen Friedrich Frick als auch der Architekt Rabe sowie Konrad Levezow Einfluss auf die Gestaltung der Blätter, die erst nach Gillys Tod gesammelt erschienen. Deutlich wird dabei das Streben nach Detailgenauigkeit und historischer Richtigkeit. In seinen Skizzen hatte Gilly mit künstlerischem Blick komponiert und interpretiert. Anders Frick und seine Berater: "Der auf archäologische Genauigkeit erpichte Bauforscher korrigierte den romantischen Visionär, der Wissenschaftler verbesserte den Künstler. Der Stich vom Refektorium macht diese Differenz deutlich: in Gillys Zeichnung lehnt ein Betrachter träumerisch am Pfeiler. In Fricks Adaption tritt ein erklärender, lehrerhafter Führer hinzu.
Reproduktion 5 - Friedrich Gilly - Marienburg, Refektorium mit männlicher Figur, an einem Pfeiler lehnend, 1794
Feder, Bleistift und Tusche, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Kunstbibliothek
Nur knapp ein Jahrzehnt dauerte die Schaffensperiode des jung verstorbenen Baukünstlers Friedrich Gilly. Der Publizist Friedrich Gentz schreibt 1796:
"Daß er ein Mensch von großer Wißbegierde und von nicht gemeinen Kenntnissen in seinem Fache, daß er überdies ein liebenswürdiger Mensch im besten Sinne des Wortes ist, das alles könnte ich ganz im Stillschweigen übergehen...Aber was ich Ihnen sagen muß, ...ist, dass in diesem jungen Mann eines der ersten Kunstgenies wohnt, die unser Vaterland in diesem Zeitalter hervorgebracht hat. Es bezeichnet den Umfang seiner Talente noch lange nicht genug, ob es gleich immer schon viel für ihn sagt, daß alle Sachverständigen ohne Ausnahme ihm in seinem vierundzwanzigsten Jahre den unstreitigen Rang des ersten Architekten im Preußischen Staat einräumten; so wie man ihm überhaupt keine Gerechtigkeit widerfahren läßt, wenn man ihn, dem in jeder bildenden Kunst die höchste Stufe zu erreichen bestimmt war, bloß als einen Architekten betrachtet." Levezow würdigt Friedrich Gilly ausführlich in seiner Denkschrift. Sein Entwurf für das Friedrichsdenkmal machte ihn 1796 mit einem Schlag berühmt. Bis heute ist sein Name damit untrennbar verbunden. In seinem monumentalen Entwurf setzte er sich nicht nur hinsichtlich des Standortes und der Ausmaße über die Ausschreibungs- bedingungen des Wettbewerbs hinweg, sondern entwarf auch ein Werk des ‚revolutionären Klassizismus' (Oncken), das die preussische Baukunst eminent beeinflusste und in Preussen und Deutschland ein Auslöser für die Entwicklung einer eigenständigen Architektur von europäischem Rang wurde. Es heißt, dass auch Friedrich Schinkel beim Anblick dieses kühnen Entwurfs den Entschluss fasste, Architekt zu werden: Er verliess daraufhin mit 16 Jahren das Gymnasium und schrieb sich in der Architekturschule ein. Gilly's Wirkung als Visionär und Vordenker wirkte bis ins 20. Jahrhundert, was insbesondere die Publikationen von Oncken, Rietdorf und Neumeyer belegen. Wie andere Künstler und Schriftsteller wurde er im Dritten Reich für die Ziele der Nationalsozialisten instrumentalisiert, insbesondere durch Rietdorf .
Zahlreiche Anlagen, Gebäude und Denkmäler hat Gilly zwischen 1791 und 1799 entworfen, zahlreiche Zeichnungen und Skizzen sind auf seinen Reisen entstanden. Seine Beobachtungskunst und Einfühlungskraft spiegeln sich in mehreren Essays wieder, die er seit 1796 publizierte: die ersten Texte entstanden anlässlich des Besuchs der Marienburg in Ostpreussen, darauf folgten zwei Beschreibungen der Landhäuser Rincy und Bagatelle in der Nähe von Paris, und in seinem Essay "Einige Gedanken über die Notwendigkeit, die verschiedenen Theile der Baukunst, in wissenschaftlicher und praktischer Hinsicht, möglichst zu vereinigen" untersucht er die Defizite der seinerzeit herrschenden Baukunst und entwirft die Vision einer Architektur, die Kunst und Wissenschaft in sich vereinigt, in einer Gesellschaft und in einem Staat, der sich sowohl die spezifische Bildung seiner Baumeister als auch die allgemeine Bildung seiner Bürger zum höchsten Ziel setzt.
Der größte Teil der Zeichnungen und Manuskripte Gillys ging im Zweiten Weltkrieg verloren, wie auch die zugleich archaisch und utopisch anmutenden Pyramiden-Entwürfe. Auch seine Bibliothek, die in der Technischen Hochschule Berlin lagerte, ging verloren. Das Verzeichnis der Bücher jedoch blieb erhalten. Es spiegelt seine fachlichen Interessen als Architekt, als auch das Spektrum seiner Forschungen und Lektüren in Ästhetik, Philosophie, Dichtung und Kunst- und Kulturgeschichte. Das gedruckte Verzeichnis umfasst etwa siebenhundert Bücher und zahlreiche Kupferstiche.
In der Bibliothek im Schlosspark Steinhöfel befand sich bis in die dreissiger Jahre des 20. Jahrhunderts die Massowsche Bibliothek. Die Ausstellung zu Friedrich Gilly ist ein Anlass, diese Bücher, die heute im Dom in Fürstenwalde lagern (dort schauen sie auf das Sakramentshaus, das Friedrich Gilly einst gezeichnet hat! )zurückzubringen. Nur noch ein Teil der einstigen Bibliothek ist heute erhalten. Der Bestand reicht zurück bis ins frühe 18. Jahrhundert. Die einstige Gutsbibliothek ist ein wichtiges Zeitdokument. Sie belegt die weitgefächerte, vielsprachige Bildung im Zeitalter der Aufklärung und verdeutlicht den kulturgeschichtlichen Kontext des Steinhöfeler Ensembles. Und sie enthält Bücher, die auch Friedrich Gilly kannte und schätzte, wie Winckelmann's Werke (Kupfer), die z.B. die Altertümer in Pompei der wissbegierigen Leserschaft zugänglich machte . Die Erforschung und Auseinandersetzung mit der Baukunst der Antike spielte eine ausschlaggebende Rolle für Gillys Schaffen.
Geist des Ortes - Geist der Zeit / Einblicke in die Massowsche Bibliothek
"Ich habe eine Bekanntschaft gemacht, die mir nicht erfreulicher sein konnte: mit einem jungen Architekten Gilly...Aber jede Schilderung ist zu schwach! Das ist ein Künstler! So ein verzehrender Enthusiasmus für alte griechische Simplizität! Ich habe einige sehr glückliche Stunden ästhetischer Unterhaltung mit ihm gehabt. Ein göttlicher Mensch!" schreibt der Dichter Wackenroder (1773-98) an seinen Freund und Kollegen Ludwig Tieck. Die "Herzensergiessungen" von Wackenroder und Tieck befanden sich auch in Gillys Bibliothek. Das zentrale Werk der Frühromantik öffnete neue Horizonte in der Kunstbetrachtung und wurde auch in Berliner Kreisen begeistert aufgenommen. Wackenroder stellte altdeutsche und römische Kunst als gleichberechtigt nebeneinander, etwa zur gleichen Zeit als Gilly die Wertschätzung der mittelalterlichen Bautradition mit seinem Aufsatz und den Zeichnungen zur Marienburg ins Blickfeld rückte.
Nach der Französischen Revolution befanden sich die gesellschaftlichen Leitbilder im Wandel. Das Bürgertum war nun an die Stelle der Aristokratie getreten und wurde nicht nur zur politisch führenden Klasse, sondern auch zur wirtschaftlichen Macht. Die Französische Revolution hatte 1789 auch eine Revolution der Kleidungssitten eingeleitet. Reifrock und Korsett als Relikte des Rokkoko verschwanden. Das große Vorbild war - im Geistesleben, in den Künsten und in der Mode - die klassische Antike. Das Kaiserreich Napoleons, "das Empire", prägte den Stil der neuen Zeit. Er zeichnete sich durch Strenge und Schlichtheit aus und stand damit im Kontrast zu dem Prunk der vorrevolutionären Zeit. Zur Verbreitung des neuen Kleidungsstils trugen Zeitschriften, wie z.B. das "Journal des Luxus und der Moden" mit Kupferstichen von Mode-Motiven gegen Ende des 18.Jahrhunderts bei. Sie wurden in ganz Europa veröffentlicht. Die Pariser Mode fand so eine weite Verbreitung. Das ‚Empire' als Stilrichtung wurde in der Architektur insbesondere von den Franzosen Percier und Fontaine etabliert: sie gelten auch als die ersten ‚Designer' mit einem umfassenden ästhetischen Konzept. Friedrich Gilly stellte deren Werk, das seiner eignen Arbeit wichtige Impulse gab, 1799 seinen Kollegen in der ‚Privatgesellschaft junger Architekten' vor.
Sterne, den Goethe und Nietzsche ‚den freiesten Geist seines Jahrhunderts' nannten, schuf ein ungewöhnliches Romanwerk, das in der Literaturgeschichte zwischen Shakespeare, Joyce und Beckett angesiedelt werden kann: er erzählt eine mehrbändige Lebensgeschichte, die aufgrund wuchernder Abschweifungen über die Jahre als Kleinkind nicht hinauskommt. Seinem Zweifel an der Sprache gibt er Raum, indem er z.B. die unbeschreibliche Trauer über den Tod eines Freundes durch schwarze Seiten zum Ausdruck bringt. Beim breiten Lesepublikum ist dieses avantgardistische Werk heute so umstritten wie damals. So gehört Tristram Schandis Leben und Meynungen von Lawrence Sterne zu den berühmtesten und sehr oft nicht zu Ende gelesenen Werken der Weltliteratur.
Ein weiterer berühmter Sonderfall der Literaturgeschichte sind Die Gedichte Ossians eines alten Celtischen Dichters. Die Redlichkeit des Herausgebers Thomas Percy war umstritten: Angeblich überlieferte Dichtungen wurden in England zur Begründung einer literarische Nationalkultur herangezogen. Die Gedichte Ossians, die auch von manchen deutschen Dichtern und Denkern begeistert aufgenommen wurden, entpuppten sich als Fälschungen. James McPherson hatte die gebildete Welt mit ihren nostalgisch-folkloristischen Sehnsüchten hinters Licht geführt.
Die vier Bände der Voyage Tour du Monde von Genelli Careri repräsentieren die Bedeutung der Reiseliteratur im 18. Jahrhundert. Die frühklassizistischen Architekten zog es vor allem nach Italien, zu den Villen Palladios und den Resten und Ruinen der griechischen Architektur, und ins europäische Ausland. Die Beschäftigung mit der Antike, aber auch mit der Formensprache Ägyptens, floss unmittelbar in die Entwürfe Friedrich Gillys ein. Christoph Martin Wieland war der meistgelesene Dichter seiner Zeit, der erste der Weimarer Klassiker, außerdem Philosoph, Gesellschaftskritiker, Journalist, Publizist und Prinzenerzieher. Heute sind sein Werk und seine Person größtenteils in Vergessenheit geraten.
Steinhöfel - ein gelungenes Ensemble aus Landbau- und Gartenkunst
Das Handbuch der Landbaukunst von David Gilly steht als Standardwerk in der Massowschen Bibliothek an zentraler Stelle. Der Sohn Friedrich ist beim erfahrenen und kenntnisreichen Landbaumeister in die Schule gegangen. Sein Talent entwickelte sich durch die intensive Förderung und Forderung seitens des Vaters. Natürlich stand das Werk auch in Friedrichs eigner Bibliothek.
David Gilly, 1748 als Sohn hugenottischer Einwanderer in Schwedt geboren, war als Landbaumeister 1772 bis 1782 in Stargard (Pommern) tätig. Um 1777 heiratete Gilly Friederike, eine Tochter des Regimentsstallmeisters Friedrich Ziegenspeck. Mit ihr hatte er zwei Kinder, Friedrich Gilly und Minna, die später den Politiker Friedrich Gentz heiratete. In Stargard avancierte Gilly 1779 zum Baudirektor von Pommern und wurde 1782 nach Stettin versetzt. Als Baudirektor zeichnete er u.a. verantwortlich für die Hafenanlagen von Swinemünde und Kolberg. Da sich Gilly schon länger Gedanken um qualifizierten Nachwuchs machte, gründete er dort in Stettin den "Cameralbau". Für König Friedrich den Großen erstellte er Gutachten und Expertisen über umfassende Landmeliorationen.1788 holte man Gilly zurück nach Berlin und berief ihn ins Oberbaudepartement. Dort avancierte er noch im selben Jahr zum Geheimen Baurat für die Provinzen Pommern, Ost- und Westpreußen und war für das Kur- sowie die Altmark zuständig. Vier Jahre später erfolgte die Ernennung zum Vizedirektor des Oberhofbauamtes. Als solcher war Gilly in den Jahren 1792 bis 1801 maßgeblich am Bau des Bromberger Kanals beteiligt. Auch für den Um- und Ausbau der Hafenanlagen von Danzig und Elbing zeichnete Gilly verantwortlich. 1793 gründete Gilly in Berlin eine private Bauschule und fünf Jahre später wurde er einer der Mitbegründer der Berliner Bauakademie. In diesen Jahren schuf Gilly einige seiner schönsten Bauten: 1796 den Landsitz Paretz bei Potsdam für König Friedrich Wilhelm III. und zwei Jahre später das Schloss Freienwalde für Königin Luise. Für den Verleger Eduard Vieweg konzipierte und errichtete Gilly 1801 in Braunschweig ein Stadtpalais, und fast zeitgleich baute er zusammen mit seinem Sohn Friedrich Schloss Steinhöfel für den Hofmarschall Valentin von Massow um und aus. David Gilly starb am 5. Mai 1808 in Berlin.
Mit der Herausgabe der "Sammlung nützlicher Aufsätze und Nachrichten, die Baukunst betreffend" gründete David Gilly 1797 auch die erste Architekturzeitschrift in Deutschland. Sein Sohn war Mitherausgeber, und veröffentlichte in den Folgejahren seine wichtigsten Aufsätze darin.
Die Massowsche Bibliothek enthielt zahlreiche Werke, die der fachlichen Vertiefung in Dingen des Bauens, der Gestaltung und Pflege des Anwesens dienten, zum Beispiel "Meinerts Landbaukunst". Insbesondere bei der Gestaltung des Parks wirkte der kenntnisreiche Bauherr selbst mit. Zu den bekanntesten und bedeutendsten Standardwerken der Gartenkunst, das auch bei der Ausführung der Steinhöfeler Anlage zu Rate gezogen wurde, zählt Hirschfelds "Theorie der Gartenkunst", die auch in Friedrich Gillys Bibliothek zu finden war.
Titel der ausgestellten Bücher:
Voyage Tour du Monde
4 Bände
Genelli Careri
Aus dem Italienischen übersetzt
Paris 1719
Massowsche Bibliothek
Ossian
wirkl. Name
Thomas Percy
Die Gedichte Ossians eines alten Celtischen Dichters
Wien 1768
Massowsche Bibliothek
Konrad Levezow
Denkschrift auf Friedrich Gilly, königlichem Architecten und Professor
Der Academie der Baukunst zu Berlin
Berlin 1801
Massowsche Bibliothek
Sammlung nützlicher Aufsätze und Nachrichten, die Baukunst betreffend.
Für angehende Baumeister und Freunde der Architektur. Herausgegeben
von mehreren Mitgliedern des Königl. Preuss. Ober-Bau-Departements.
Jahrg. 1797. Bd. I
Berlin, 1797
Massowsche Bibliothek
Ludwig Tieck
Herzensergiessungen eines kunstliebenden Klosterbruders
Von L. Tieck und W. Wackenroder
Massowsche Bibliothek
David Gilly
Handbuch der Land-Bau-Kunst
Teil I: 19797
Teil II: 1798
Berlin
Massowsche Bibliothek
Christian Cajus Laurenz Hirschfeld
Theorie der Gartenkunst
(in 5 Bänden)
Massowsche Bibliothek
Lawrence Sterne
Tristram Schandis Leben und Meynungen
Hamburg 1776
Massowsche Bibliothek
Journal des Luxus und der Moden
Hrsg. Von F.J. Bertuch und G.M. Kraus
Weimar
Jahrgang 1793
Jahrgang 1801
Massowsche Bibliothek
Christoph Martin Wieland
Kupfer zu Wielands Werken
Massowsche Bibliothek
Johann Joachim Winkelmann
Alte Denkmäler der Kunst
Massowsche Bibliothek
Internationale Bauausstellung Berlin 1987
Friedrich Gilly, 1772 - 1800, und die
Privatgesellschaft junger Architekten
Berlin 1984
Alste Oncken
Friedrich Gilly 1772 - 1800
Berlin 1935
Alfred Rietdorf
Gilly: Wiedergeburt der Architektur
Berlin 1940
Jutta von Simson
Das Berliner Denkmal für Friedrich den Großen
Berlin 1976
Friedrich Gilly
Essays zur Architektur
1796 - 1799
Herausgegeben von Fritz Neumeyer
Berlin 1997
Friedrich Gilly - Essays on Architecture - 1796 -1799
The Getty Center for the History of Art and Humanities,
Santa Monica, USA 1994