Symposium / Ausstellung, Sommer 2004 in Steinhöfel: 
Seminarium

Eröffnung der Ausstellung Seminarium

Eröffnung Seminarium
Peter Herbstreuth, Kunstkritiker, bei der Eröffnungsrede mit Christine Hoffmann, Kuratorin und Dr. Helm, Staatssekretär MWFK, Foto: Robert Abts

Programm:
Seminarium I

Künstlerische und gärtnerische Arbeiten auf dem Pflanzfeld in der Schlossgärtnerei Steinhöfel:
Robert Abts (Brandenburg)
Jost Löber (Brandenburg)
Rick Phelps (USA)
Margaret Raspé (Berlin)
Katharina Schnitzler (Berlin)
Dagmar Uhde (Berlin)

Seminarium II
Künstlerische Arbeiten im Gelände:
Gabriela Albergaria (Portugal)

Lina Kim (Brasilien)
Kalle Laar (München)
Bruce Nauman (USA)
Joao Penalva (Portugal)
Michael Wesely (Berlin)

Ausstellung: vom 22.August bis 19. September 2004 in der Schlossgärtnerei Steinhöfel
Eingang: Schloßweg am Dorfanger, neben der Gaststätte Ulmenhof
Öffnungszeiten: Samstag und Sonntag, 11-18 Uhr und nach Vereinbarung

Eröffnung: Sonntag, den 22. August 2004 um 15 Uhr
Es begrüßen:
Frau Prof. Dr. Johanna Wanka, Ministerin für Wissenschaft Forschung und Kultur des Landes Brandenburg
Peter Herbstreuth, Kunstkritiker, Berlin
Arne Ihm und Christine Hoffmann, LandKunstLeben
Kalle Laar, Performance / Konzert

Pleasure Ground mit Gartenmusik, Picknick, Wickenlabyrinth, Volleyball, Federball, Croquet

Lange Nacht des Gartens: Samstag, den 4. September, ab 20 Uhr
Fluoreszierende Pflanzen, Filmprogramm, Cocktailbar, ggf. Sternkarte im Mondlicht

Sponsoren: 
Pflanzschule im Pflanzfeld gefördert durch: Leader +

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Seminarium im Gelände gefördert durch:

Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg
Kulturamt des Landkreises Oder-Spree
Botschaft des Landes Portugal und Instituto Camoes


mit Dank an die Galerie Donald Young, Chicago, die Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG in Fürstenwalde, die Gemeinde Steinhöfel und den Gartenbaubetrieb Schmidt.portugal.gif

Kontexttext

EINE PFLANZSCHULE WIE ENTSTEHEN SOLL. ( i )

Eine Pflanzschule lege in folgender Art an:
den allerbesten und offenen und bestgedüngten Platz,
der möglichst ähnlich ist der Erdart, wo du die Setzlinge verpflanzen willst,
...diesen Platz grabe zwei Spaten tief um, lies die Steine heraus,
umzäune ihn ringsum gut und pflanze in Reihen...
Marcus Porcius Cato, Vom Landbau

Einladungskarte
Einladungskarte zu 'Seminarium'

Der Begriff des Seminarium spannt den Bogen vom Gärtnerischen zum Ethischen, und entbehrt nicht einer gewissen Strenge: als Pflanzfeld für die angezogenen Pflänzchen im Frühling hat in ihm Ordnung zu herrschen. Die Rationalität des Gärtners verlangt darauf zu achten, daß seine kostbaren Keime gedeihen mögen. Das theologische Seminar setzt sich die Bildung der Seelen und Herzen zum Ziel. Vivat, crescat, floreat seminarium! Möge das Seminar (hoch)leben, gedeihen und blühen! Aber auch abgründige Ideen verbinden sich mit diesem Begriff, wenn z.B. bei den Ägyptern der physische Leib als Pflanzstätte (+ Kompost?) eines immateriellen Auferstehungsleibs gedacht wird. Im Barock wird der Körper wiederum als ‚Pflanz(Brut)stätte' verderblicher Leidenschaften kasteit. In der Philosophie des 20. Jahrhunderts verbindet sich das ‚Seminar' vor allem mit der Arbeit von Jacques Lacan, in dessen für Tiefgründigkeit und Präzision berühmten psychoanalytischen Seminaren bereits die Rhizome des Denkens von Deleuze und Fouceault wuchern, die für die gegenwärtigen Diskurse um eine lebenstüchtige Ethik bedeutend sind. LandKunstLeben hat 2002 das Thema des Gärtnerischen in Verquickung mit der Reflexion über Ethik und Lebenspraxis in der Ausstellung ‚Die Melancholie als Gärtnerin' tangiert. Ausstellung und Symposium zum ‚global village garden' 2003 setzte die Diskussion um den Garten fort und brachte Künstler, Philosophen, Soziologen, Garten- und Landschaftsarchitekten zusammen, die sowohl historisch als auch zukunftsforschend die Debatte zu diesen Fragen in Steinhöfel aufgenommen haben.

Die Ausstellung seminarium bringt 2004 internationale Arbeiten von zeitgenössischen Künstlern in den regionalen Kontext des Orts und des Gartens von Steinhöfel ein. Seminarium - im wortwörtlichen Sinne ist das genau die Ausgangssituation, die sich im Steinhöfeler Garten vorfindet: ein weites, zur Bepflanzung offenes Feld. Künstler bearbeiten diesen Raum und entwickeln auf die Situation bezogene Arbeiten. Mit Pflanzen, Erden, Samen, natürlichen und gärtnerischen Materialien wird diesem Status der ‚tabula rasa' zu Leibe gerückt. Das Spektrum der Arbeiten offeriert - jenseits der tatsächlichen Bepflanzung - ungewöhnliche, spielerische und hintergründige Herangehensweisen und Haltungen im Spannungsfeld von Natur und Kultur.

Eröffnungsrede am 22. August 2004 in Steinhöfel - Ein Garten zwischen Nutzen, Zier und Kunst
von Peter Herbstreuth

Der erste Künstlergarten, von dem die ‚Geschichte der Gartenkunst' von Marie Luise Gothein (Jena 1926) zu berichten weiß, stammt von dem Maler Peter Paul Rubens. Gothein beschreibt diesen Garten als eine Anlage, die für die vornehmen Bürgerhäuser in Antwerpen jener Zeit typisch war: steinere Götter- und Heroenfiguren standen aufgesockelt entlang von Wegen und erinnerten an die vergangene Welt der Mythen.

Bis ins 18. Jahrhundert war der Beitrag von Künstlern in Gärten und Parks - von Ausnahmen abgesehen - auf Skulpturen und Kleinarchitekturen beschränkt. Die Künstler konnten lediglich Figuren entwickeln, die in das Konzept des Gartenbaumeisters passten. Sie nahmen an einem Gesamtkunstwerk teil, das von Männern mit universalen Kenntnissen bestimmt war. Die Gartenbaumeister mussten, so der Architekt Le Blond, ‚ein Geometer sein, die Architektur verstehen und gut zeichnen können, die Ornamentik meistern und die Eigenheit und Wirkung aller Pflanzen kennen, deren man sich in schönen Gärten bedient.' (zit. in Gothein) Diese Charakterisierung schreibt den Gartenbaumeistern Kenntnisse zu, die heute Spezialbereiche zerfällt und sich in seltenen Fällen unter dem Dach des Interdisziplinären zusammenfindet - vor allem dann, wenn es - wie hier in Steinhöfel - um die Kunst in Gärten geht.

In jener Zeit entfachte sich in England eine theoretische Auseinandersetzung Über den Zusammenhang von Kunst und Natur. Sie mündete vor zweihundert Jahren (1713) in einer Veröffentlichung des Schriftstellers und Ästhetikers Alexander Pope, die schnell die öffentliche Meinung beherrschte. "Ich glaube", schrieb er, "es ist eine falsche Beobachtung, dass Menschen von Genie, also die in der Kunst Begabtesten, die Natur lieben: denn diese empfinden besonders stark, dass alle Kunst Studium der Natur ist".

Dieser Gedanke wurzelt in der antiken Vorstellung, dass heilige Haine nicht vom Himmel fallen, sondern von großen Einzelnen, besonders begabten Menschen, man nannte sie Genies oder Heroen - entdeckt, angelegt und geschÜtzt werden. Die Haine - die zum locus amoenus, dem angenehmen, dem anderen Ort wurden - diese Haine waren wie die Gärten ein abgegrenztes, deutlich umzäuntes Terrain, zu dem nur Auserwählte Zugang hatten - eine erlesene Teilöffentlichkeit würde man heute sagen. Denn der Entstehungsgeschichte der Haine, der anderen Orte, der Heterotopoi, liegen besondere Gegebenheiten in der Natur zugrunde: etwa Quellen in unwegsamen Gebieten, Grotten in freiem Gelände oder Bäume aus unvordenklicher Zeit. Nur besonders Begabte, so liest man, konnten den betreffenden Ort als einen besonderen Ort erkennen und dann die lokale Gottheit - den genuis loci - benennen und das Gebiet gegen die Welt der Gewohnheit abgrenzen. Deshalb hatten diese Areale nur so lange Bestand, wie der Geist, der sie bewohnte, in Ehren gehalten wurde. Der Heros ist - wie der eben beschriebene Gartenbaumeister - ein Mensch universaler Kenntnisse. Er kennt die Natur, legt die Ordnung und die Regeln des abgegrenzten Gebiets fest. So auch die Künstler, deren Gärten wie ein Hain nur dann weiter leben, wenn sich eine Gemeinschaft oder ein Team um den Bestand kümmert und die Gründungsideen erhält und weiter entwickelt.

Einem Gärtner sind die bio- und ökologischen Zusammenhänge wesentlicher als die semantischen und bedeutungsstiftenden. Und hier liegt die Scheidelinie zwischen einem Künstlergarten und einem Zier- und Nutzgarten. Künstler werden die Bedeutung immer über die Nutzung und selbst die Ansehnlichkeit stellen, weil es Künstlern selten um den Nutzen und nicht immer um die Zier und Ansehnlichkeit geht, sondern - und gerade in Gärten - um ein Modell. Und dieses Modell zehrt noch immer von dem wohlgeordneten Paradiesgarten und dessen variantenreiche Nachahmungen mit den Früchten der Erde.

Wenn man sich nun fragt, weshalb so viele Künstler sich seit den 90er Jahren dem Garten widmen - ohne unbedingt Künstlergärtner zu sein - wenn man sich fragt, woher es kommt, dass die Gärten in der Kunst eine zunehmende Rolle spielen, dann ist es neben rein pragmatischen Gründen - etwa die Wahrnehmung einer Gelegenheit oder die Erfüllung eines Auftrags - vor allem die Tatsache, dass Gärten und Parkanlagen weiterhin das Gefühl verbreiten, das Modell einer abgesonderten Welt darzustellen - und sei es als Gegenmodell - ein Modell der Phantasie oder ein Modell der Erinnerung oder ein Modell des Unvorhersehbaren.

Gärten werden auf diese Weise zu einem Erklärungs- und Erlebnismuster für unüberblickbare, größere Zusammenhänge. Aber es handelt sich dabei weder um eine naturgegebene Situation, denn hier ist alles menschengemacht, noch geht es um eine mythische Grundlegung wie in der Antike und Renaissance; es handelt sich um eine Nutz- und Ziergartenanlage, in denen die Wege und die Sichtachsen allesamt konzeptuellen und praktischen Zwecken unterliegen. Auf diesen Wegen wird der Blick gelenkt. In diesem Modell zwischen Nutzen und Bedeuten kommt nun den Künstlern und ihren Kuratoren eine entschiedene Rolle bei der Raumdefinition zu.

Aus diesem Grund können die Initiatoren von einem "Zukunftslabor" sprechen: der Garten in seiner Ordnung mit seinen Sichten und verstreuten, bisweilen unverhofften Sehereignissen kann als Vorstellung der Welt gesehen werden, dessen Ganzes man naturgemäß nicht mit dem Blick umfasst, in dem man immer mittendrin ist und Entdeckungen macht oder einfach spazierengeht und an nichts Bestimmtes denkt, um plötzlich überrascht zu werden.

Hier im Garten von Steinhöfel geht es wie bei vielen öffentlichen Gärten aller Zeiten um ein interdisziplinäres Langzeitprojekt von Architekten, Künstlern, Gärtnern, Politikern und dem Kuratorium. Die Anlage ist von der Kuratorin auf eine Weise konzipiert, dass sie verschiedene Funktionen nebeneinander koexistieren lässt. Es gibt neben den Gebäuden das Gartenareal, das aus der Geschichte des Ortes übernommen ist, darin einen Lehrgarten und daneben die befristeten Präsentationen von Künstlern aus verschiedenen Ländern.

Diese Nähe und Überschneidung von Nutz-, Zier- und Künstlergarten zeigt aber sehr viel deutlicher als anderswo, dass sich im 20. Jahrhundert - wie in der Fotografie - eine Trennung vollzogen hat zwischen angewandter und künstlerischer Gartenkunst. Für das Areal heisst dies: Es handelt sich um eine totale Installation - mit Tendenz zum einem Gesamtkunstwerk, das alle kreativen Energien an einem in sich abgeschlossenen, real existierenden, aber gleichwohl idealen Ort in sich vereint - und die besondere Qualität hat, immer zu Werden und niemals fertig zu sein. Der Raum wird Überdies von einem Netz von Bezügen belebt, bei denen man etwas lernen kann, etwas entdecken kann, etwas Neues finden kann - aber nichts muß. Es gibt auch kein Sollen. Man kann sich vergnügen, aber man muß nicht. Der Spaziergänger kann einfach so sein, wie ihn der Garten stimmt. Das kommt einem anmutigen Ort wiederum sehr nahe, weil es die Verstreuung der Werke konzentriert und ein Besucher seine Konzentration in der Muße findet.

Wer einen solchen Garten nach künstlerischen Werken absucht - wie Eiersuchen an Ostern - und sie von vorn herein unterschieden sehen will von allem, was die künstlerischen Werke umgibt - wie bei den klassischen Skulpturen in Rubens Garten - vergibt sich das Beste, was eine Anlage wie diese zu bieten hat. Es ist ein Areal von verstreuten kleinen Ereignissen, die sich in ihrer Umgebung zu bewähren haben, ohne daß von vorn herein die Kunstfrage geklärt ist. Man entdeckt also auch die Zier im Nützlichen und den Nutzen in der Kunst und die Kunst in der Zier - und in allem verschiedene Zeit- und Lebensspannen. Deshalb geht man vielleicht besser nicht auf gezielte Suche, sondern findet und macht Entdeckungen.

Dazu viel Vergnügen.

Küstler und Künstprojekte
Künstlerische und gärtnerische Arbeiten auf dem Pflanzfeld:
1.   Robert Abts (Brandenburg)
2.   Jost Löber (Brandenburg)
3.   Rick Phelps (USA)
4.   Margaret Raspé (Brandenburg)
5.   Katharina Schnitzler (Berlin)
6.   Dagmar Uhde (Berlin)

Künstlerische Arbeiten im Gelände:
7.   Gabriela Albergaria (Portugal)
8.   Lina Kim (Brasilien)
und Michael Wesely (Berlin
)
9.   Kalle Laar (München)
10.   Bruce Nauman (USA)
11. Joao Penalva (Portugal)

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