Projekt
Juni 2011

     
Einladung zur Dorf Revue


Ein Bänkelgesang vom Landleben mit Bildern und
Geschichten aus den Dörfern der Gemeinde Steinhöfel
von und mit Kenneth Anders und Lars Fischer

LandKunstLeben lädt ein zu einer illustren Rundfahrt
durch die Gemeinde. Berichtet wird vom Leben in unseren
Dörfern, zwei Jahrzehnte nach dem großen Umbruch,
der gerade die ländlichen Lebensbedingungen
durcheinandergewirbelt hat. Wovon lebt man heute,
wofür engagiert man sich? Welche Hoffnungen knüpft
man an das Landleben? Anders und Fischer haben mit
Menschen gesprochen, in Ruhe am Kaffeetisch und über
den Gartenzaun. Sie haben fotografiert, zugehört und
beobachtet. Was sie begriffen und verstanden haben,
geben sie an diesem Abend zum Besten



''Ein Bänkelgesang vom Landleben''
Für die Dörfer von Steinhöfel

Ein Dorf ist ein Dorf!
Es ist kein Ortsteil, es ist ein Ort!
Es hat eine Kirche und vielleicht einen Anger.
Man ist entweder drinnen oder man ist draußen:
im Dorf, vor dem Dorf, hinter dem Dorf;
das sind klare Positionen,
auch wenn die Häuser aus Fertigteilen
seine Ränder bedrohlich ausfransen.
Und fügt man es auch zur Gemeinde, zum Amte;
das Dorf ist ein Ort und dieser ist das Gesamte,
das Ganze des großen Lebens auf dem Land!
Und ist doch, von der Stadt aus gesehen, am Rand.
All das steckt in diesem kleinen Wort:
DORF.

Doch nun sind hier Zwölfe zusammengefasst,
und nimmt man die kleinen Siedlungen dazu,
die Ausbauten und Siedlungshaufen,
die Gutshöfe und Wendeschlaufen,
die Vorwerke und all die kleinen Plätze,
an denen sich Menschen eingenistet
an denen Generationen ihr Dasein gefristet,
dann sind‘s noch viel mehr !

Sind sie sich ähnlich? Haben sie was gemeinsam?
Lebten sie besser wieder alleine und einsam?
Was sagt ihnen das Land Lebus?
Ist es ferner Klang,
von früher nur, wie alter Gesang?
Oder macht es ein Kribbeln auf morgen,
trotz all der täglichen eigenen Sorgen?

Wie ist es und wie fühlt man sich heute
hier auf dem Dorf? Ist man politische Beute?
Ein Opfer der Wirtschaft? Hat man noch Kraft?
Oder sieht man gelassen
auf die städtischen Massen
und sagt sich: warten wir’s ab?

Das wollten wir in Erfahrung bringen,
wollten wissen:
Wie kann das Leben gelingen,
hier, da die Städter sagen:
Ach ist das aber jottweedee,
ihr lebt ja in der Pampa, in der Walachei!
So ein Quatsch!


Buchholz


Gemeinden



Aber was das Land einst gewesen ist, scheint vergessen.
Denn laut und oft furchtbar war das letzte Jahrhundert.
Die Kriege rasten und keinen hat noch was gewundert.
Flugbahnen goss man aus Beton in die Wälder,
und gab kein Pardon für Wiesen und Felder.
Der Kirchturm sogar von Neuendorf im Sande,
er stand dem Flugplatz zu nah und zu hoch am Rande,
und wurde einfach gekappt.
Das Manöverzielschiff im See bei Schönfelde taucht auf
bei Niedrigwasser,
und Spuren des Militärs sind zuhauf.
Garnisonen haben gewühlt und geschossen,
gelagert und sich hinter die Binde gegossen
als würde alles hier ihnen gehören.

Und nicht nur der Boden,
nicht nur Wald, Grund und Feld
wurden aufgewühlt, was das Zeug hält,
von Granaten, Spaten, Händen.
Vor allem die Menschen fielen und hungerten.
Andere warteten ab und lungerten
herum, Jahrzehnte hindurch,
wie im Mehltau gefangen.

Viele gingen und dann kamen neue,
Vertriebene meist, mal laute, mal scheue.
Und immer wieder fing man von vorne an:
Die Arbeit war heilig, alle mussten ran,
denn Landleben hieß Schwitzen
(Ruhe wohl auch,
aber das friedliche Sitzen
auf der Bank vor dem Haus,
das man den alten Fotos glaubt,
war eine Sache für abends und sonntags,
wenn überhaupt).
Und stiegen auch Feste dann und wann,
allem ging doch immer die Mühsal voran!

Die Arbeit allein hat keinen vertrieben,
doch im Wüten der Bodenreform
und im Zwang zum Kollektiven
gab mancher auf und verließ sein schönes Land
gen Westen.
Und dabei schien es ganz gleich,
ob man gerade erst aufgesiedelt
oder zurückblicken konnte auf Generationen am selben Ort.
Wer so nicht leben wollte, gegängelt, ging fort.


Bei Tempelberg


Alte Hausfassade



Nun schien in den Dörfern
mit Zwang, mit Traurigkeit,
Gebrüll, staatlichem Plan und verordneten Festen
ein neues Leben zu wachsen.
Schöne Häuser und Höfe wurden nicht mehr gebaut,
dafür komfortable Blöcke zum Wohnen
und industrielle Bauten für Mast und Milch:
Alles am Rand der Dörfer,
und ungeheuer produktiv.

So gelang bei Behlendorf die erste Konzentration
von 1000 Kühen im sozialistischen Staat:
Milko, das Milchkombinat,
eine agrarische Schallmauer durchbrochen,
und das Plansoll glorreich durchstochen!

Die alten Güter verloren ihre Pracht,
es wurde nur noch der blanke Nutzen bedacht.
Und immerhin: der Hunger war vorbei.

Also wurden Kinder geboren,
gingen hier zur Schule,
machten hier die Lehre,
und nahmen hier ihre Arbeit auf.
Ihr Leben nahm gemessenen Lauf,
als könnte es gar nicht mehr anders sein.
Hier die Stadt, dort das Dorf:
eine uralte Polarität,
seit Menschengedenken in aller Welt etabliert,
doch in der DDR nun neu definiert;
das Land – eine Staatsangelegenheit,
der Fortschritt machte sich breit
mit den Segnungen der Industrie,
MTS, Düngerflieger und Agrochemie:

Es gab jetzt Urlaub und Freizeit,
fehlte nur noch die Freiheit.
Und alles hatte seinen Ort:
die Kühe, die Schweine,
Kirche und Schule,
Kulturhaus und Baracke,
trotz aller Planattacke:
ein Leben, dessen Sinn man schwerlich bezweifeln konnte.
Denn Essen produzieren,
mit Pflanzen und Tieren,
das war doch das A und O!
Zumindest schien es so,
hier, auf dem Land.


LPG Demnitz


Platte



Doch dann kam die Wende,
und leer waren plötzlich die Hände
noch schwielig von der Arbeit,
aber plötzlich von der Schaufel befreit,
von Mistforke und von Melkschemel.
Die meisten waren der Mittel beraubt,
aus dem Land noch ihr Leben zu nähren.
Blieb nur noch, den Gehweg zu kehren.
Wer hätte das geglaubt?

Und wer bis dahin hatte gedacht,
der Sozialismus habe die Bauern rationell gemacht
der wurde nun vom Agrobusiness
schallend ausgelacht.
Acht bis zehn Mann hatte man vorher gebraucht,
um zu bestellen hundert Hektar;
das Tagwerk steckte allen in den Knochen!
Heute macht einer den Job von zehn,
die anderen können derweil sehn
wo sie bleiben.

Und ab ging es, in die Stadt, zum Arbeitsamt.
Verdammt! Da hatte man den Salat,
Pendeln wurde zur Heldentat,
200 Kilometer am Tag, ist’s auch schad‘
für Klima und Nerven,
Und fließt der Verkehr nicht akkurat,
wird die Bindung an die Heimat
auf harte Proben gestellt.

(Gesamttext umfaßt 34 Seiten)


Hacke


Beelendorf Arbeitsgeräte


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