Bibliothek im
Schloßpark Steinhöfel
2001
      Aus:
Christian Cajus Laurenz Hirschfeld
Theorie der Gartenkunst
Leipzig 1779-1785

Von den verschiedenen Charakteren der Landschaft und ihren Wirkungen
3. Vertiefung

"Die Vertiefung ist die Wohnung der Einsamkeit und der Ruhe; sie ist melancholischen Anlagen und Scenen günstig, und nimmt willig alles an, was eine Verschließung und Beschattung heißt. Der Eínsiedler, der Freund stiller Betrachtungen, des Gefühls seiner selbst, findet hier einen bequemen Ruheplatz.

Gebüsche voll vom Gesang ungestörter Vögel, die sich lieben und anbauen, sanft dahinschleichendes oder doch leise murmelndes Gewässer, das Geschwätz eines ungesehenen Baches, zuweilen ein lauter Wasserfall, von Laubwerk überwölbte Gänge, scheinen die natürlichste und anmuthigste Belebung dieser Lage zu seyn.

Die Vertiefung inmitten einer Ebene ist weniger angenehm, als nahe an einem Gehölze, und wo die Natur sie am meisten zu zeugen pflegt, an der Seite eines Berges.

Jähe steilabgestürzte Tiefen sind überraschend, zuweilen zurückschreckend; aber anmuthig sind allmählig sich dahinsenkende Niedrigungen. Die schöne Vertiefung fliehet die Regelmäßigkeit und jede abgezirkelte Form in der Natur, und nicht weniger so in der Anlage von der Hand des weisen Gartenkünstlers.

Picknick im Schloßpark Steinhöfel
Picknick im Schloßpark Steinhöfel

Durch die Mischung der Ebenen, Anhöhen und Vertiefungen bewirkt die Natur eine reizende Mannigfaltigkeit in der Landschaft; der Gartenkünstler soll hier ihrem Beyspiel folgen, und keine von diesen Hauptbeschaffenheiten des Erdbodens vernachläßigen. Es war ein sicherer Beweis, daß man die Natur verfehlte, als man nach dem Geschmack des le Notre alles in eine schnurgerade Ebene umschuf, jede natürliche Anhöhe heruntergrub, und, wo noch eine Erhöhung von einigen Stufen geduldet ward, blos steinerne Terrassen aufstellte.

Die Ebenen, Anhöhen und Vertiefungen können theils durch ihre Ausdehnung und Größe, theils durch ihre gegenseitigen Verhältnisse, theils durch ihre Verbindungen unter einander sehr verschieden und abwechselnd sein. Die Bestimmung der Verhältnisse und die Ausführung der Verbindung erfordert in Gärten unstreitig die größte Kunst, weil hier fast alles darauf ankömmt, die Kunst zu verbergen. Wenn die Anlagen nicht schon von der Natur zubereitet sind, sondern erst gemacht werden sollen; so ist nichts leichter, als daß sie ein künstliches Ansehen annehmen, und nichts schwerer, als dieses verhindern. Die Theilungslinien müssen bedeckt, die Abwechslung der Stücke, ungeachtet des engern Raums, worin ein Garten vor der Landschaft eingeschlossen ist, beobachtet werden, und zwar auf einem Boden, wo erst die Länge der Zeit die Spuren von den Bestrebungen der Kunst auslöschen kann. Indessen wird das aufmerksame Nachdenken und Vergleichen bey der Bearbeitung eines bestimmten Platzes, womit sich der Gartenkünstler beschäftigt, ihm mehr nützliche Anleitungen herbeyführen, als allgemeine Vorschriften bewirken können."

| Startseite | zurück | Anfang der Seite |